Die Gewaltbilder müssen raus

Haller Tagblatt, Freitag, 31. März 2023

Trauer Beatrix Warnck und Elke Wimmer vom Hospizdienst Schwäbisch Hall bieten ab April Treffen für Angehörige nach Suizid an. Die wenden sich auch an Freunde, Polizisten und Lokführer. Von Sonja Alexa Vollmann

Wenn Menschen sich selbst das Leben nehmen, dann bleiben Angehörige zurück, die eine andere Trauersituation haben als diejenigen, die durch einen natürlichen Todesfall einen lieben Menschen verloren haben. Das wurde Beatrix Warnck und Elke Wimmer besonders deutlich in der Trauergruppe, die sie im Hospizdienst leiten. Eine Mutter war dabei, deren Sohn sein Leben selbst beendet hat.

Die Hinterbliebenen sprechen meist nicht über ihre Trauer, erklären die Frauen. Weil da Gefühle von Schuld und Scham sind. Was sollen andere über unsere Familie denken, wenn mein Kind sich umbringt?! Warum habe ich das nicht gesehen oder verhindern können? Und warum überhaupt? Viele quälende Fragen stellen sich Angehörige immer wieder selbst. Nach außen gingen sie eher nicht damit, und das Außen würde auch eher den Kontakt mit dem Thema meiden, wissen die Trauerbegleiterinnen. „Eben weil da die Scham- und Schuldgefühle sind. Fremde wollen die Trauernden nicht in diesen Gefühlen bestärken und klammern das Thema lieber ganz aus, bevor man etwas Falsches sagt“, erklärt Elke Wimmer. 

In den Treffen, die der Hospizdienst nun anbietet, wird es nicht um den Suizid gehen. Bewusst vermeiden die beiden Ehrenamtlichen, die sich in einem Kurs nach Chris Paul in Bonn weitergebildet haben, dieses Thema. Es soll weder darüber gesprochen werden, wie der Verstorbene den Tod gesucht hat, noch warum. „Die Gewaltbilder müssen raus.“

Stattdessen sollen sich die Trauernden erinnern dürfen an den Verstorbenen. Was hat ihn oder sie ausgemacht? „Eine Frau, die ihren Bruder durch Suizid verloren hat, hat erzählt, was sie alles von ihm gelernt hat“, berichtet Beatrix Warnck. Die Beziehung zum Verstorbenen soll wiederhergestellt werden. Damit man nicht nur seinen Suizid sieht, sondern das, was vorher war. “Die Liebesbeziehung soll gestärkt werden statt der Schuld- und der Warum-Frage.“

Vier Frauen und ein Paar haben sich bisher angemeldet für den ersten Termin im April. Drei haben ein Kind verloren, eine Frau ihren Mann. Neben dem Sprechen wird Beatrix Warnck, als ausgebildete Trager-Trainerin, auch Körperübungen anleiten. Und je nachdem, wie es passt, wird vielleicht am Ende, wie bei ihren anderen Trauergruppen, ein Kreistanz gemacht. „Das lieben unsere Teilnehmer.“

Ziel in diesen Gruppen ist auch immer, unter Seinesgleichen zu sein. Es treffen Menschen aufeinander, die ein Schicksal teilen. Ob sie darüber reden oder nicht, sie haben eine Verbindung. Manche kommen vielleicht nur einmal, aber nehmen einen Kontakt mit. Wichtig ist den beiden Trauerbegleiterinnen, dass nicht nur direkte Angehörige willkommen sind, sondern auch Freunde angesprochen sind. „Zu einem Suizid gehören viele Betroffene. Familie, Freunde, Polizisten, Lokführer.“

Beamtin und Therapeutin entdecken ihr Interesse für das Thema Trauer

Elke Wimmer hatte schon als Kind ein reges Interesse an Themen rund um den Tod. Als ihre Schwiegermutter im Sterben lag, hat sie die Arbeit des Hospizdienstes kennengelernt und sich im Jahr 2009 als Sterbebegleiterin ausbilden lassen. Ein Jahr später wurde sie zudem Trauerbegleiterin.

Die 64-Jährige wuchs in Neuss auf, studierte in Koblenz Betriebswirtschaft und arbeitete als Beamtin beim Fernmeldeamt in Wuppertal. Mit ihrem Mann kam sie berufsbedingt 1991 nach Baden-Württemberg, zunächst nach Waldenburg. Seit 1994 lebt das Paar, das drei Kinder hat, in Rinnen.

Beatrix Warnck stammt aus Gelsenkirchen und studierte in Münster Englisch, Kunstgeschichte und Publizistik. Weil sie aber etwas Handfestes arbeiten wollte, erlernte sie nach dem Studium den Beruf der medizinisch-technischen Assistentin. Mit der Geburt des ersten von drei Kindern hörte sie auf, in diesem Beruf zu arbeiten und kam mit ihrem ersten Mann 1991 nach Schwäbisch Hall. Zwei weitere Kinder wurden geboren und von 2005 – 2009 machte die 57-Jährige eine Ausbildung zur Trager-Praktikerin (ganzheitlich orientierte Körperarbeit). Sie arbeitet in eigener Praxis.

Zum Hospizdienst kam sie über die Arbeit mit ihren Klienten. Sie erlebte, dass Menschen plötzlich bei Berührung in Tränen ausbrechen. Die Arbeit mit deren Trauer und das Lösen ihrer Fragen zu diesem Thema brachte sie zur Ausbildung als Sterbebegleiterin im Jahr 2013 und zwei Jahre später zur Trauerbegleiterin. Beatrix Warnck ist in zweiter Ehe verheiratet.

Die Treffen „Trauer nach Suizid“ sind jeweils am ersten Montag im Monat um 19 Uhr beim Hospizdienst, Brückenhof 6/1. Erster Termin ist der 3. April.

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