Frank Kirsch, Fachkrankenpfleger, freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor – www.frank-kirsch.de
Als die ersten Nachrichten von den Infektionen in China kamen, dachte ich an leichte, grippeähnliche Symptome, die mir nicht gefährlich werden können.
Selbst auf dem Intensivkongress in Bremen Ende Februar hatte ich den Eindruck, dass die Erkrankung eher als Problem auch des chinesischen Gesundheitssystems gesehen wurde, dass wir mit der Erkrankung besser zurechtkommen. Im Nachhinein betrachtet wären fast alle Intensivstationen Deutschlands betroffen gewesen, wäre es dort zu einem Ausbruch gekommen.
Ein Umdenken hat es für mich durch die Bilder aus Italien gegeben. Damit wurde die Infektionsgefahr realer, auch weil sich Familienangehörige dort im Urlaub befanden.
Durch die bekannten Ereignisse wurde unsere Region zum Hotspot. Das DIAK hat bereits sehr früh gut organisiert. Ich hatte jederzeit das Gefühl, dass auch eine große Anzahl an Patienten zu bewältigen wäre. Glücklicherweise konnten bereits geräumte Stationen im Altbau als Corona Stationen reaktiviert werden. Außerdem wurden Patienten in andere Kliniken verlegt, wenn unsere Kapazitätsgrenzen erreicht wurden.
Ich hatte das Gefühl, dass wir im Team der Intensivstation Respekt vor der unbekannten Erkrankung hatten und auch eine Stimmung herrschte: „Wir schaffen das“.
Die Pflege und Betreuung der Corona Patienten unterschied sich durch die strikten Isoliermaßnahmen von der täglichen Pflege. Persönliche Schutzausrüstung wie Mundschutz, Brille, Schutzkittel und Handschuhe und das manchmal über mehrere Stunden am Stück war eine Herausforderung. Eine Kollegin arbeitete dann als Unterstützung vor der Schleuse: sie desinfizierte alles, was aus dem Zimmer kam wie z. B. Blutröhrchen und schickte sie ins Labor, reichte Material an, erledigte Telefonate.
Es gab schon früh Behandlungsleitlinien der Fachgesellschaften, die immer wieder aktualisiert wurden, das gab mir Sicherheit im Alltag.
Ich hätte in dieser Zeit nicht mit den Angehörigen tauschen wollen: es gab keine Möglichkeit, sich selbst ein Bild vom Zustand des Patienten zu machen. Über Tage und Wochen nur die Möglichkeit des telefonischen Kontakts hätte ich als Albtraum empfunden. Ich kann mir vorstellen, welche Ängste und Sorgen sie sich gemacht haben.
Ich habe die Einschränkungen als angemessen erlebt. Ich habe großen Respekt vor der Verbreitung des Virus, da er hochansteckend ist. Ich habe auch junge Patienten mit einem schweren Verlauf von COVID 19 erlebt. Wie alle schwer Erkrankten benötigen sie eine sehr lange Zeit der Rehabilitation.
Dann Aussagen zu lesen, dass der Mundschutz die Menschenwürde nimmt, dass eine Durchseuchung die billigste Maßnahme sei, auf alle Schutzmaßnahmen verzichtet werden soll hat mich zornig gemacht. Ich bin froh, dass wir auch durch die vorsichtige Lockerung heute ca. 500 Neuinfektionen pro Tag haben und nicht 40.000 wie in Brasilien oder Amerika.
Herr Kirsch referiert bei unseren Vorbereitungskursen „Ehrenamt in der Sterbebegleitung“ seit Jahren über „Basale Stimulation“.