Haller Tagblatt vom 15. Mai 2025
Sterben: Hospize, Palliativstation, SAPV-Team: Sterbenskranke werden in Hall umfassend betreut. Doch wie stehen die Akteure zum assistierten Suizid? Das wird bei einer Podiumsdiskussion erörtert. Von Tobias Würth
Im neuen Hospiz zwischen Teurershof und Breit-Eich werden Menschen am Ende ihres Lebens begleitet. Zudem verfügt das Diak seit Februar über eine neue Palliativstation. Dazu kommen ambulante Angebote: Hospizdienst, Kinderhospiz, das Spezialteam aus Pfl egern und Ärzten (SAPV) sowie weitere Organisationen und Beratungsstellen.
Krankenkassen zahlen
In den vergangenen Monaten haben die Verantwortlichen die Begleitung von Menschen auf dem letzten Teil ihrer Reise neu strukturiert. Lücken wurden geschlossen, Angebote aufeinander abgestimmt. Das meiste bezahlt die Krankenkasse.
„Wir haben viele Möglichkeiten, den Patienten auf dem letzten Weg zu begleiten“, berichtet Chefarzt Prof. Dr. med. Michael Medinger. Die neue Palliativstation im Neubau des Diaks umfasst 6 Betten in Einzel- und Doppelzimmern. Angehhörige können dort auch übernachten.
Medinger: „Aufgenommen werden Patienten zum größten Teil mit Krebs, aber auch zum Beispiel mit neurologischen Erkrankungen.“ Sofern es möglich ist, werde verssucht, die Krankheit zu therapieren. Schmerzen, Atembeschwerden, aber auch psychische und spirituelle Themen werden angegangen.
Falls es am Ende des Weges keine Aussicht auf Heilung gibt, steht eine neue Einrichtung in Hall offen. „ Das Hospiz hat sich sehr positiv entwickelt. Wir haben acht Zimmer und sind seit einigen Wochen zu 100 Prozent ausgelastet“, sagt Oliver Kübler, Leiter des stationären Hospizes.
Sehr gut funktioniere die Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren, insbesondere den ehrenamtlichen Mitarbeitern des in Hall schon lange bestehenden Hospizdienstes. Der Aufenthalt im Hospiz ist für die Gäste kostenlos, denn die Krankenkasse übernimmt alles. Allerdings muss sich das Hospiz selbst zu fünf Prozent aus Spenden finanzieren. Das sei mit einem Ziel von 180.000 Euro allein für die laufenden Kosten im Jahr eine große Aufgabe für den Förderverein.
Bis zuletzt zu Hause
Für Menschen, die noch zu Hause gepflegt werden können, besteht seit einigen Jahren ein Angebot: Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Ärzte, Pflegekräfte, Mitarbeiter der Krebsberatungsstelle, Seelsorger, Atemtherapeuten und viele mehr arbeiten zusammen. „Es geht um die Lebensqualität bis zum Schluss“, sagt Koordinatorin Susanne Lemke. Typischer Fall: Ein pflegender Angehöriger ist sich mitten in der Nacht nicht sicher, wie er das Schmerzmittel richtig verabreicht. Ein kurzer Anruf und die Frage sei beantwortet. „Die 24-Stunden-Rufbereitschhaft ist dabei wichtig“, sagt Lemke. Fünf Ärzte stehen dazu bereit. Ebenso wichtig seien die acht Pflegekräfte, verstärkt von drei Ärzten im Tagdienst, die neben ihrer Arbeit in Praxen und Kliniken das SAPV-Team verstärken.
Wer an einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit leidet, die schwere Symptome aufweist, hat Anspruch auf das SAPV-Team. Die Krankenkasse bezahlt die Leistung. Lemke: Wenn sich jemand entscheidet, zu Hause zu sterben, sind wir im Boot.“
Quer über alle medizinischen Angebote hinweg, ist der ehrenamtliche Hospizdienst aus Hall im Einsatz. „Wir begleiten Schwerstkranke und Sterbende“, bringt es Meike Schmidt auf den Punkt. Zusammen mit Ute Ebner-Höll koordinieren sie die Einsätze. Die 60 ehrenamtlichen Hospizbegleiter kommen zu den Menschen nach Hause, gehen in Kliniken, in Altenheime und Heime der Behindertenhilfe oder eben neuerdings auch ins Hospiz.
„Die Menschen müssen nicht mit uns übers Sterben reden, wenn sie das nicht wollen. Man kann auch mal ein Glas Sekt zusammen trinken“, sagt Anna-Gela Henkel-Kochendörfer vom Hospizdienst. Im Moment werden zwölf Menschen begleitet. Kapazitäten seien noch frei. Der Vorteil: Es seien keine Anträge oder ärztliche Atteste dafür nötig. Da der Hospizdienst als Verein organisiert ist, hilft er unbürokratisch. Geld gibt es ebenfalls von den Krankenkassen.
Ethische Probleme im Blick
Während das Netzwerk in den letzten Monaten intensiver geknüpft wurde, tauchte ein neues Thema immer sichtbarer auf: Aktive Sterbehilfe bleibt zwar verboten. Gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist unter bestimmten Bedingungen der Erwerb einer tödlichen Dosis eines Medikaments nicht strafbar. Das könnte dem Todkranken ans Bett gestellt werden. Er selbst trinkt es aus.
Das Gericht weist der freien Entfaltung der Persönlichkeit und dem Schutz der Menschenwürde eine hohe Bedeutung zu: „Dazu gehört, dass der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann.“
Allerdings fehlt noch ein Gesetz dazu. Das heiß: Vor Ort herrscht noch Rechtsunsicherheit. Was machen nun die Akteure, die Menschen am Lebensende würdevoll begleiten wolle, wenn die Personen aber lieber sofort sterben wollen? Das wurde im medizinisch-ethischen Arbeitskreis am Diak besprochen. Vertreter sämtlicher Berufsgruppen treffen sich dabei einmal im Monat. Konsens sei: Das Gerichtsurteil werde respektiert. Kein Mensch werde vorverurteilt für den Wunsch, schnell zu sterben. Aber Pfarrer Hans-Martin Bauer betont auch die Konsequenz: „Wir wollen die positiven Möglichkeiten der Begleitung der Menschen auf ihrem letzten Weg stärken.“ Denn auch die hätte das Gericht eingefordert.
Noch habe kein Patient in der Klinik ernsthaft nach der passiven Sterbehilfe verlangt, berichtet Medinger. „Wir würden niemanden aufnehmen, der einen assistierten Suizid will“, stellt Hospiz-Leiter Kübler klar. Lemke vom SAPV-Team sagt: „ Wir werden ab und an danach gefragt.“ Wenn in Gesprächen die Angst vor Atemnot und ähnlichen Bedrohungen genommen werde, schwinde oft der Wunsch nach einer Selbsttötung.
Die Akteure sind sich sicher: Schafft der Bundestag aber eine Gesetzesgrundlage und breiten sich Sterbehilfefirmen und -vereine aus, stellt sich das Thema Selbsttötung am Lebensende in Hall intensiver.